Andacht
Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. (Klagelieder 3, 22-23)
Hoffnung inmitten von Leid und Schmerz.
Hoffnung, obwohl Jerusalem und der Tempel zerstört sind.
Hoffnung trotz des Exils.
Hoffnung inmitten der Trümmer. Hoffnung mitten im Tod.
Hoffnung gewachsen aus Klage und Trauer.
Liebe Leserin, lieber Leser,
da war ein Mensch, der den Untergang Jerusalems miterlebt hat. Ein Mensch, der alles verloren hat. Ein Mensch, der hadert und trauert. Jeremia buchstabiert sein Leid in der Reihenfolge des hebräischen Alphabets, ein Klagen von A bis Z. 51 Strophen der Trauer, um zur Gewissheit zu gelangen, dass Gottes Barmherzigkeit noch kein Ende hat und dass sie alle Morgen neu ist.
Auch wenn uns Lobgebete leichter von den Lippen gehen als Klagegebete, dürfen wir die Klagelieder als eine wunderbare Einladung verstehen. Sie geben uns Zeit, Verlorenes zu beklagen und unserer Trauer Raum. Ich muss mich nicht dafür schämen, dass meine Tränen fließen. Ich darf den Verlust beweinen, mich in Frage stellen, meine Verantwortung überdenken, mir Verfehltes eingestehen. Geduld und Vertrauen, helfen mir dabei, das Tal des Schmerzes zu durchwandern.
In schweren Phasen unseres Lebens buchstabieren wir Trauer über Wochen und Monate. Der Weg kann mühsam sein und steinig. Und dann ganz plötzlich ist da ein Funke, eine Erleichterung und Gewissheit: Wir sind nicht allein. Gott begleitet und trägt uns. Er ist da, gestern, heute und morgen. Er weiß um uns und die Hoffnung darf wieder wachsen:
„Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“
Ihre Pfarrerin Astrid Hofmann
August / September 2024
Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? (Jeremia 23,23)
Es ist kein Zufall, dass es damals Leute gab, die Jeremia am liebsten zum Schweigen gebracht hätten. Einmal warf man ihn in eine Wassergrube, die zum Glück gerade leer war, am Königshof hatte er Hausverbot, seine Schriften wurden verbrannt. Er ging den Leuten auf die Nerven. Gott soll ferne sein? Wir haben doch den Tempel! Dort, so hatte Gott selbst gesagt, will ich wohnen und euch nahe sein. Wie kommst du darauf, dass sich Gott zurückziehen, ja dass er dann, aus der Ferne, sogar Unheil über uns bringen könnte?
Der Prophet klagt darüber, dass man Gott zu einem Glücksbringer degradiert hatte, der dafür sorgen soll, dass immer genug Brot im Haus und Wein im Keller ist, der sich aber sonst bitte nicht zu sehr einmischen möge. Wie wir leben, bestimmen wir lieber selbst.
Nein, sagt Jeremia, ihr müsst euch schon entscheiden: Entweder, euer ganzes Leben gehört Gott, oder euer Glaube ist vergeblich.
Gott kann man nicht nach eigenem Ermessen dort in Anspruch nehmen, wo es günstig erscheint, und dort links liegen lassen, wo er womöglich stören könnte.
Und wo stört er? Jeremia lässt da keinen Zweifel: Überall, wo Menschen lieblos und rücksichtslos miteinander umgehen. Der religiöse Ausdruck dafür war damals der Baalskult. Da feierte man sich selbst, seinen eigenen Erfolg, seine Ellbogenmentalität. Gottes Weisungen an sein Volk sind andere. Weil er gern und reichlich gibt, haben wir allen Anlass, liebevoll miteinander zu teilen. Nur so leben wir in Gottes Nähe und im Vertrauen auf sein Wort. Das Erntedankfest wird uns dazu wieder einen besonderen Anlass geben. Wer sich der Tatsache bewusst ist, dass alles Gute aus der Hand des Schöpfers kommt, wird auch dadurch seine Nähe erleben und gern mit seinem Nächsten teilen.
Eine gute und gesegnete Zeit wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Johannes Kaufmann
April / Mai 2024
Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt. (1 Petrus 3,15)
Ich denke, es ist schwerer geworden, in unserer Zeit über den Glauben zu sprechen. Wenn man überhaupt noch dazu kommt, miteinander zu reden, ist man über Politik und Gesellschaft, die privaten, familiären oder beruflichen Sorgen sicher viel schneller im Gespräch.
Dagegen ist die „Sache mit Gott“, Religion und Glaube ein Thema, das gern beiseite geschoben wird, vielleicht weil es zu persönlich oder zu wenig greifbar ist oder gar als weltfremd gilt. Ich erlebe oft, dass dann weniger vom eigenen Glauben als vielmehr von „der“ Kirche die Rede ist und was man alles daran auszusetzen hat. Selbst im engsten Familienkreis schämen sich manche, das Thema Glaube anzuschneiden – darüber liegt wie ein Tabu: Bloß nicht drüber reden!
Trotzdem fragen viele, vor allem gerade die, die nie mit Kirche zu tun hatten, wieder ganz neu danach, was Glaube eigentlich ist. Und sie fragen nicht herablassend oder hämisch oder provozierend, sondern einfach aus Neugier und Interesse. Und sie fragen uns, die, von denen sie wissen, dass sie Christen sind. Sind wir dann bereit, ihnen ehrlich Rede und Antwort zu stehen? Oder werden wir misstrauisch, ziehen uns ins Innerste zurück und schalten auf Abwehr: Was geht die das an? Wollen die sich lustig machen über mich?
Könnte es nicht sein, dass so manche nach dem Glauben fragen, weil sie spüren, dass ihnen etwas fehlt? Dass da noch etwas ist, was sie nicht kennen? Die christliche Hoffnung zum Beispiel? Ist die nicht wirklich eine wertvolle und glückbringende Sache, die man weitergeben soll und muss? Bei den Beduinen lautet ein Sprichwort: „In der Wüste gibt es ein Verbrechen, das schlimmer ist als Mord: zu wissen, wo Wasser ist, und es nicht sagen.”
Zu wissen, wo die Hoffnung ist, nämlich im Glauben an Jesus Christus, und nicht darüber zu sprechen, ist vielleicht genauso schlimm…
Darum heißt es: „seid stets bereit”, Rede und Antwort zu stehen! Gemeint ist nicht das „Immer bereit!” wie bei den DDR-Pionieren – ein aufgezwungenes Nachplappern von Parolen. Sondern ehrliches, offenes und ganz persönliches Reden vom eigenen Glauben – mit allen Höhen und Tiefen, Fragen und Zweifeln. Und was für eine Hoffnung sich daran festmacht. Natürlich ist das nicht leicht, natürlich setzt man sich damit auch der Kritik aus, natürlich könnte man dadurch auch als „seltsamer Heiliger” gelten. Doch wenn nicht einmal wir Christen mehr von unserer Hoffnung sprechen, dann ist es kein Wunder, wenn die Welt immer kälter, grauer und friedloser wird. Wir sollen niemandem unseren Glauben „aufschwatzen” – nein: einfach nur Rede und Antwort stehen! Doch das bewirkt mehr, als wir oft denken.
Ich wünsche Ihnen allen ein hoffnungsvolles Frühjahr!
Ihr Pfarrer Jörg-Martin Spitzner
Februar / März 2024
Haben Sie schon Frühlingsgefühle? Nach den dunklen und kalten Wintertagen reagieren die meisten Menschen fröhlich und freudig auf die länger werdenden Tage und die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres. Wir freuen uns am Anblick von Schneeglöckchen und Märzenbechern, Krokussen und Tulpen, wenn sich diese zarten Lebewesen aus dem verödeten Erdboden schieben und eine neue Saison des Lebens ankündigen.
Dieser Umbruch ist für mich auch ein Sinnbild der Liebe Gottes. Sie durchdringt den kalten und rau gewordenen Mantel von Menschen, verhilft dem Leben zum Durchbruch und setzt dadurch Freude und Liebe frei. Diese Frühlingsgefühle sind sogar ganz unabhängig von Jahreszeiten. Sie sind allein abhängig von Gottes Liebe zu uns und die will ganzjährig in uns wirken. Daran erinnert uns die Jahreslosung für 2024: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“
„In Liebe“ kann, muss aber nicht deckungsgleich sein mit „aus Liebe“: Liebevoll umgehen soll ich also auch mit Personen, die ich nicht liebe. In gewisser Weise gilt es da, von Gott zu lernen. Nicht weil ein Mensch liebenswert ist, wird er/sie von Gott geliebt, sondern Gottes Liebe macht diesen Menschen erst liebenswert.
Die Reihenfolge ist wichtig! Die Motivation zur Liebe geht nicht vom Objekt aus, so wie dies landläufig geschieht: Menschen verlieben sich, weil sie beim Gegenüber etwas anziehend und liebenswert finden, und handeln dann „aus Liebe“. Die Liebe, zu der uns die Bibel herausfordert, denkt von Gott her: Gott handelt „in Liebe“. Zuvorkommend. Und erschafft dadurch erst das Schöne.*
Auf diese Liebe kommt es 2024 an! Anknüpfungspunkte gibt es (leider) genug. In einer Welt, die immer mehr vom Freund-Feind-Schema geprägt ist, gilt es „in Liebe“ den Hass zu überwinden. Mit den Worten von Landesbischof Bilz: „Es ist uns Christ:innen nicht egal, in welcher Gesellschaft wir leben.“ Unsere Welt kann wieder eine bessere werden, wenn mehr Menschen „in Liebe“ miteinander umgehen statt nur „aus Liebe“ zu ihresgleichen. Denn „in Liebe“ lassen sich rau gewordene Mäntel der Feindseligkeit durchdringen, sodass neues Leben zur Entfaltung kommt und Freude verbreitet.
Ich wünsche Ihnen ein liebevolles Jahr voller Frühlingsgefühle!
*Wer hier weiterdenken will, dem sei die Lektüre von Luthers Thesen zur Heidelberger Disputation empfohlen.
Ihre Pfarrerin Dr. Mandy Rabe
Dezember 2023 / Januar 2024
Auf dem Weg nach Bethlehem?
Manchmal sagen wir, dass wir im Advent – im übertragenen Sinn – auf dem Weg nach Bethlehem sind. Denn dort in Bethlehem ist vor über 2.000 Jahren Jesus Christus geboren – und das feiern wir am Ende der Adventszeit an Weihnachten.
Doch mit einem Zitat des Priesters und Dichters Angelus Silesius (eigentlich Johannes Scheffler) möchte ich den Blick auf die Geburt Jesu ein wenig verschieben. Er schrieb: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.“ Will salopp heißen: Weihnachten bloß als Erinnerungsfest an die Geburt Jesu zu feiern, ist nicht mal die halbe Miete. Weihnachten geht es weniger um die Geburt Jesu in Bethlehem als um die Geburt Jesu in mir.
Was kann das bedeuten?
Dass mir Gott in meinem Leben so wichtig ist, wie es mir ein eigenes Kind ist oder wäre. Dass ich mir Zeit nehme. Dass ich mich um Gott kümmere, heißt: seine Worte sind mir wichtig und ich versuche, danach zu leben. Ich liebe ihn – und ich lasse mich von ihm lieben. Das heißt, ich vertraue ihm und ich vertraue mich ihm an.
Wenn Christus in mir zur Welt kommen soll, ist der Advent auch ein Weg zu mir selbst. Wie geht es mir? Liebe ich mich selbst? Nehme ich Rücksicht auf mich? Gebe ich den Dingen Zeit in meinem Leben, die mir wichtig sind und mich freuen?
Diese Fragen, dieser Weg zu mir selbst, ist zugleich ein Weg zu Gott. Bei ihm kann ich Erfüllung finden, denn er möchte, dass ich das Leben habe und dass ich es in Fülle habe, wie es uns Jesus im Johannesevangelium verspricht.
Ich danke Ihnen, dass Sie im Jahr 2023 den Weg in Ihrer Gemeinde mitgegangen sind, vor allem aber danke ich für jede Unterstützung, die von Ihnen kam!
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start in das neue Jahr!
Ihr Pfarrer Stefan Konnerth
Oktober / November 2023
Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“ (Jakobus 1,22)
Hörer + kein Täter = Betrüger
Wenn man auf die Schnelle das Bibelwort des Monatsspruchs vom Oktober betrachtet, so lässt sich diese einfache Gleichung ableiten. Flugs ist man bei der Schlussfolgerung: Nur die Taten sprechen für sich. Das was wirklich zählt, das ist Handeln und Schaffen, Wirken und Vollbringen. Und ich muss ehrlich gestehen, in diese Leistungs-Falle bin ich auch getappt. Der Automat in mir ist angesprungen.
Doch die Intention des Jakobus ist es, beide Seiten zur vollen Geltung zu bringen: Das Hören UND die Tat. Das wahre Hören ist dabei jedoch kein passiver Akt, nicht ein akustisches Lauschen, sondern in sich schon eine Bewegung. Es ist vielmehr eine innere Ausrichtung auf die Gegenwart Gottes, die der Tat vorausgeht. Keine Aktion ohne die Kontemplation. Dabei muss ich an die Liedstrophe von Jochen Klepper denken: „Die Hände, die zum Beten ruhn, die macht er stark zur Tat. Und was der Beter Hände tun, geschieht nach seinem Rat.“
Martin Luther wusste ebenso von diesem Zweigespann: „Heute habe ich viel zu tun, darum muss ich viel beten.“
Mit „Beten“ ist genau diese stille Herzensbewegung zu Gott hin gemeint, bevor man ans Werk geht. „Ora et labora“ (Bete UND arbeite), so heißt die Grundhaltung bei den Benediktinern, der ältesten und bedeutendsten klösterlichen Bewegung des Abendlandes. Ihre Ordensregel fängt nämlich mit dem „Hören“ an und beendet den ersten Satz mit dem Wort „Tat“: „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!“
Jakobus, der Bruder Jesu, die klösterlichen Brüder, der Reformator Martin Luther, der evangelische Liederdichter Jochen Klepper bezeugen uns den Zusammenhang zwischen dem Hören und dem Tun. So wollen doch auch wir geHORsam sein: Das eine tun und das Hören nicht lassen.
Gebet: Herr Jesus, wirke in uns beides: Das Wollen und das Vollbringen, nach deinem Wohlgefallen. Amen
In der Gemeinschaft Jesu verbunden, Euer Pfarrer Alexander Felchle
August / September 2023
Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich. (Psalm 63, 8)
Endlich. Diesmal musste er Anlauf nehmen, aber jetzt ist er da. Trotz manchen Starkregens, heftiger Gewitter und der immer dringlicheren Frage, wie wir das mit dem Klima endlich nachhaltig angehen – er lässt sich immer noch von Herzen genießen: Sonne und Wärme tanken, draußen sitzen bis in die Nacht, sich verlieben (soll jetzt sehr schön sein), Eis schlecken, Hängematte, Grillen, Luftmatratze, im Freibad oder mit Wassereimer und dem Ärger über Stechmücken (auch die gehören wohl dazu). Mit einem Wort: Sommer.
Was ist so besonders zwischen Juni und September?
Nicht nur Gedanken an andere Orte: Im Flieger nach Mallorca, im Zug zur Nord- oder Ostsee, im Stau am Kamener Kreuz. Das gehört auch dazu. Unterwegs sein, Neues sehen, abschalten – zur Not auch in einer Blechlawine auf der A4.
Sommergefühl heißt auch, dass wir Leichtigkeit und Freude lernen, die sog. wichtigen Fragen des Lebens mal leichter nehmen und unter blauem Himmel alles andere auch mal warten kann. Oder wie die Wise Guys sangen: „Egal, ob man schwitzt oder friert: Sommer ist, was in deinem Kopf passiert.“ Es ist einfach viel schöner zu sehen, wie sich Gottes gute Schöpfung geradezu vor Kraft und Farbenpracht und Leben überschlägt. Sie lädt uns ein zum „Tanz in den Sommer“, also dazu, „unter dem Schatten der Flügel Gottes“ fröhlich zu sein, zu verweilen und aufzutanken!
Leichtigkeit und Freude erlebe ich gerade in meinem eigenen „Tanz in den Sommer“ mitten im Vogtland. Mein Mittun im pastoralen Dienst ist nicht nur von der Wärme der Jahreszeit geprägt, sondern auch von der Herzenswärme, die mir hier im Rahmen meiner beruflichen Neuorientierung entgegenkommt. Die Schwere und Hitze der „wichtigen“ Lebensfragen wird „überschattet“ vom Sommergefühl, weil ich in diesem Gefühl Gott am Werk weiß, der uns bedingungslos liebt, trägt und mit ungebremstem Segen überschüttet. Der seine Flügel ausbreitet über mein Tun und mir Schatten spendet, sollte es zu heiß werden.
Diesen Helfer, dessen Flügel Schatten spenden und Zeit zum Frohlocken eröffnen, wünsche ich Ihnen auch! Zu jeder Jahreszeit. Aber auch gerade jetzt. Also: Schöne Sommertage! Was immer Sie daraus machen.
Ihr Patrick Fries, ordinierter Theologe aus dem Saarland auf dem Weg in den Pfarrdienst in Sachsen
Juni / Juli 2023
Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. (Matthäus 5, 44f)
„Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.“ Mit dieser Propagandalüge wurde vor 84 Jahren der Überfall auf Polen gerechtfertigt, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs markiert. Zurückschießen, Zurückschlagen, Zurückschreien – die Aufzählung ließe sich noch fortsetzen – solche Reaktionen liegen uns doch im Blut; und deshalb verfangen Lügen, wie die oben erwähnte, besonders gut. Allerdings, heißt es nicht schon in der Bibel: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“?
Dieser Satz wird häufig bemüht, um einen möglichst dunklen Hintergrund zu zeichnen, auf dem dann die Botschaft der Liebe, wie sie Jesus gelehrt und gelebt hat, besonders hell strahlt. Dabei ist es doch so, dass bereits dieses Prinzip des gerechten Ausgleichs verhindern soll, dass sich durch Rachegedanken motivierte Taten immer weiter hochschaukeln. Diebstahl, Raub, oder gar Mord fordern eine entsprechende Sühne, damit der Frieden wieder hergestellt werden kann. Wenn es gelingt, die vorausgegangene Tat und die darauf folgende Strafe in ein Gleichgewicht zu bringen, dann können Menschen, Familien, Sippen und Völker etwas dagegen tun, dass Konflikte immer weiter eskalieren. Rache wird durch dieses Prinzip also nicht gefördert, sondern begrenzt.
Das ist nötig, weil nicht nur dann, wenn eine Lüge den Ausgangspunkt der Gewalt darstellt, sondern auch, wenn
tatsächlich Unrecht geschehen ist, die Reaktion fast immer einen Zacken schärfer ausfällt als die erste Tat. Genau davon leben all die lange schwelenden Konflikt, bei denen sich kaum noch jemand erinnern kann, was eigentlich der Anlass war. Nun setzt aber Jesus diesem Prinzip des gerechten Ausgleichs tatsächlich sein „Ich aber sage euch“ entgegen. Die Liebe Gottes gilt auch dem Menschen, der mir als Feind erscheint. Die logische Konsequenz: „Liebt eure Feinde!“
Mit solchen und ähnlichen Provokationen gewann er die Herzen der einen und zog sich die Ablehnung der anderen zu. Ist das nicht in der Tat eine maßlose Überforderung? Liegt mir die Einteilung in Freund und Feind nicht viel näher? Ja, der Glaube an Jesus Christus erschöpft sich nicht in der harmlosen Forderung: „Nun seid mal schön nett zueinander!“
Seine Liebe kannte keine Grenzen, nicht einmal die seines eigenen Lebens. Deshalb ist das Kreuz unser Zeichen geworden. Es ist anstößig, es ist ärgerlich, denn es fordert mich heraus, alte Denkweisen zu hinterfragen und dem Frieden nachzustreben, der mein gewohntes Schema sprengt. Aber nur so öffnen sich neue Perspektiven.
Ob diese Sichtweise die Welt noch einmal verändern wird, weiß ich nicht. Zuerst gilt mir diese Aufforderung ganz persönlich und dann kann ich darauf vertrauen, dass sie nicht ohne Wirkung bleiben wird.
Ihr Johannes Kaufmann, Pfarrer
April / Mai 2023
Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende. (Römer 14,9)
Liebe Schwestern und Brüder,
„hinabgestiegen in das Reich des Todes – am dritten Tage auferstanden von den Toten“ bekennen wir von Jesus Christus im gemeinsam gesprochenen Glaubensbekenntnis. Dazu stehen wir, dazu sagen wir Ja. Es ist ein ganz zentrales Fundament unseres Glaubens: Christus ist gestorben und auferstanden – für uns.
Nein – wir können das nicht beweisen. Für die Auferstehung Jesu haben wir weder Fingerabdrücke noch Laborergebnisse, und sie ist auch nicht experimentell nachzuvollziehen. Wir glauben sie trotzdem!
Sind wir deshalb dumm? Oder naiv?
So eine Art weltanschauliche „Dino-saurier“, denen nicht mehr zu helfen ist? Immer wieder treffe ich auf Leute, die das zu denken scheinen und lachen: Was, du glaubst daran – an die Auferstehung von den Toten? Und sie sind offensichtlich sehr stolz darauf, nicht daran zu glauben. Als wäre das eine besondere Leistung oder Anstrengung, als wäre das eine besondere Erkenntnis oder Wahrheit.
Ich frage mich immer wieder: Was hat man eigentlich davon, sich darüber lustig zu machen? Hilft das zu einem besseren Leben? Kann man wirklich stolz darauf sein, wenn man sagen muss: Mit dem Tod ist alles aus, nichts bleibt von mir übrig, es gibt keinen Halt, keine Hoffnung darüber hinaus? Was ist das nur für eine trostlose Sache! Wenn ich so denken würde, könnte ich nicht den geringsten Stolz darüber empfinden, sondern nur eine furchtbare Trauer.
Nein – ich halte es für viel mutiger, viel fröhlicher, viel lebensbejahender und für ganz und gar nicht dumm, an die Auferstehung zu glauben! Trotzdem! Ja – auch gegen den Anschein und ohne Beweise, aber aus innerer Überzeugung. Auf ein Wort Gottes hin!
Gerade in einer ziemlich hoffnungslosen Welt die Hoffnung zu behalten, den Glauben nicht aufzugeben, nach dem Woher und Wohin – nach dem wahren Leben zu fragen und zu suchen, und Ja zu sagen zu Christus – zum auferstandenen Christus – dem Licht der Welt und der einzigen wahren Hoffnung für jeden Menschen! Ich halte das für sehr gut, für sehr richtig und für sehr mutig! Und ich halte das für sehr hilfreich im Leben – um den Mut, die Fröhlichkeit, die Kraft und Einsatzfreude, die Liebe und die Hoffnung zu behalten! Und ich freue mich immer wieder neu über die Osterbotschaft, die schon so viele Millionen Menschen getröstet hat: „Christus ist auferstanden. Er ist mein Herr – im Leben und im Sterben. Nichts kann mich von ihm trennen!“ Ja – ich bin von Herzen dankbar, dass wir diese Hoffnung haben!
Es grüßt euch herzlich und wünscht ein gesegnetes und frohes Osterfest
Pfarrer Jörg-Martin Spitzner
Jahreslosung 2023
Du bist ein Gott, der mich sieht. (Genesis 16,13)
Wenn Sie im Internet die Seite www.abgeordnetenwatch.de besuchen, dann können Sie so einiges über die gewählten Abgeordneten auf Bundes- und Landesebene erfahren, z.B. den erlernten Beruf, Wahlverhalten, Nebeneinkünfte (Bundestag), und Sie können Fragen stellen, auf die es durchaus Antworten gibt.
So können Sie die Abgeordneten beobachten, um sich für kommende Wahlen ein Bild zu machen, das umfassender und ehrlicher ist, als es die Wahlkampfinformationen ermöglichen. Das ist der Anspruch von www.abgeordnetenwatch.de, das Handeln von Politikern zu beobachten (watch = beobachten) und transparent zu machen. Manche Politiker sehen darin eine Chance, anderen scheint das eher lästig. Doch Demokratie lebt von Transparenz. Erinnern Sie sich: Erst mit Gorbatschows Politik von Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umbau) wurde der Eiserne Vorhang durchlässig.
Beobachtung und Transparenz im öffentlichen Raum scheinen angemessen, aber wie steht es bei Ihnen persönlich? Wünschen Sie sich für Ihr Leben mehr oder weniger Be(ob)achtung, mehr oder weniger Transparenz? Wo wollen Sie mehr gesehen werden, mehr beachtet werden? Was würden Sie lieber verstecken oder geheim halten?
Ich bin sicher, dass Sie für beide Fragen Antworten parat haben, denn mir geht es ebenso.
Die Jahreslosung für 2023 „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ klingt ein bisschen nach www.menschenwatch.org auf Gottes großem Server. In ihr stecken sowohl Be(ob)achtung als auch Transparenz. Das eine ist nicht ohne das andere zu haben.
Dass gesehen und beachtet wird, was ich gerne zeigen will, dass ich wahrgenommen werde mit meinen Wünschen und meinen Bedürfnissen, das ist das eine.
Es bedeutet aber auf der anderen Seite, dass ich nichts verbergen kann, und ich muss es mir gefallen lassen, dass Gott so manches, was ich tue, denke oder auch lasse, missbilligt und mich zurechtweist.
Ja, das eine ist nicht ohne das andere zu haben. Aber beides trägt Segen in sich, denn beides bedeutet (Be)Achtung. Beides bedeutet, ich bin Gott wichtig, und das, was ich tue, ist Gott wichtig. Doch das Wesentlichste dabei ist, dass Gottes Blick voller Liebe ist, selbst wenn er um meinetwillen traurig ist oder mich streng zurechtweist.
So wünsche ich Ihnen, dass Sie sich in diesem Jahr als (von Gott) angesehene Person wahrnehmen!
Ihre Pfarrerin Dr. Nikola Schmutzler
Dezember 2022 / Januar 2023
Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie. (Jesaja 11,6)
Vertraut geworden ist uns diese große prophetische Vision, die am Horizont dunkler Zeiten aufleuchtet. Die tierische Idylle lässt das Heil, den Frieden, den Schalom Gottes durchscheinen, der „dann“ sein wird, „wenn aus dem Baumstumpf Isais ein Spross hervorwächst, ein Trieb aus seiner Wurzel neue Frucht bringt.“ Der Prophet richtet unser Augenmerk auf die Zukunft, der Blick geht weg von Vergangenem, weg von dem Hier und Jetzt und richtet sich auf eine neue Zeit. Und dort taucht eine Welt auf, die den Erfahrungen unseres Alltags zutiefst widerspricht, die nach anderen Regeln funktioniert, anderen Zielen folgt. Gerechtigkeit spielt eine große Rolle, auch Wahrheit und ein allumfassender Frieden, der Schöpfung und Geschöpfe gleichermaßen umgibt und prägt.
Von diesem Frieden, dem Schalom Gottes, erzählen auch die Adventszeit und das Weihnachtsfest. Sie verknüpfen die Zukunft, die Jesaja vor Augen hatte, mit der Geburt eines Kindes. Auch das ist ungewöhnlich, denn Retter, Helden, Herrscher und Weltenverbesserer sind normalerweise von einem anderen Kaliber. Das Motiv, dass hier andere Maßstäbe gelten, zieht sich also von Jesajas Vision bis zur Geburt in Bethlehem durch und verliert sich auch im Anschluss nicht. Das Leben Jesu, sein Reden, sein Tun, seine ganze Art, den Menschen zu begegnen bestätigt es ja, bis zu diesem unfassbaren Moment des Ostermorgens, als das Grab leer war! Hier ist mitten unter den Menschen Himmelreich, ein Stück Ewigkeit, ein Moment neuer Schöpfung!
Als Jesaja diesen Traum hatte, wusste er noch nichts von dem Stall in Bethlehem, von dem Stern und den Weisen aus dem Morgenland. Er ahnte noch nichts von Karfreitag und Ostern. Doch er sprach: „Es wird einmal …!“ Und vertraute darauf, dass Gott nicht einfach den Dingen ihren Lauf lässt, sondern noch etwas mit dieser Welt vorhat.
Das sollte auch unsere weihnachtlichen Erwartungen bestimmen. Da sollten nicht allein die passenden Geschenke ganz oben stehen, sondern auch die Freude darüber dabei sein, dass Gott mit seiner Strategie noch lange nicht am Ende ist, und immer wieder neu Heil und Frieden aufkeimen lässt.
Vertrauen wir darauf, auch in dieser schwierigen Zeit. Gottes Zukunft kann uns auch ein Krieg oder jede andere Bedrängnis und Sorge nicht nehmen.
In dieser Gewissheit wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. Es sei Ihnen eine Quelle der Zuversicht und Hoffnung!
Ihr Pfarrer Stefan Konnerth
Oktober / November 2022
Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker. (Offenbarung 15,3)
Bereitet es dir auch Unbehagen, wenn du all die Nachrichten der letzten Wochen und Tage liest? Wirst du auch so unruhig, wenn du die Reden der modernen Apokalyptiker aus Medien und Politik hörst? Fühlst du dich auch aufgewühlt, wenn du daran denkst, wer sich alles unter einem Credo trifft, um die Probleme der Welt zu beseitigen, insbesondere, wenn dieses Credo denjenigen außen vorlässt, der die Grundlage des Lebens und Schaffens schuf?
Ich neige dazu, dass mich dies alles erschreckt. Doch zugleich muss ich an Nietzsches Ausspruch denken: „Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ – Nun, wohin also schauen? Oder einfach die Augen zu und durch? Wem zuhören?
Probieren wir es doch gemeinsam mit dem Monatsspruch vom Oktober 2022, mit dem „Lied der Überwinder“, aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung. Dieses Lied steht am Ende eines Zyklus in der Geschichte der Welt, der von Gottesferne, ja von Gottesfeindschaft bestimmt ist. Eine Periode, geprägt von Umwälzungen und Katastrophen, von gespenstischen Abgründen und teuflischen Mächten. Doch am Ende zeigt sich: Das letzte Wort behält immer Gott. Am Ende eines jeden Zyklus sprießt Gerechtigkeit und Schönheit, Wahrheit und das Gute durch die Asche, die der unheilige Brand hinterlassen hat (unabhängig davon, wer ihn entfacht hat). So sicher wie das Alpha zu Beginn des griechischen Alphabets, so wird auch das Omega den Zyklus beschließen. Jesus Christus, der Anfang und das Ende.
Am Ende erklingt das Lied der Überwinder auf die Taten Gottes, auf die Herrschaft des Lammes, das Lied auf die Wahrheit und Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und Heiligkeit des Königs der Welt. Es wird das Lied gesungen, das die Unheiligkeit und die Bedrängnis, die Not und das Elend hinter sich lässt.
Nun, statt zu sehr in den aktuellen Abgrund zu schauen, hören wir doch auf das Lied der Überwinder, und leben aus dieser Perspektive. Und ja, vielleicht können wir schon jetzt ein wenig in dieses Lied einstimmen. Erst leise und zögerlich, dann lauter und hoffnungsvoller, bis es im finalen Ton des himmlischen Chores ertönt, für alle hörbar und sichtbar.
Zur Ehre Gottes.
Im Hören und Singen mit Euch/Ihnen verbunden, Pfarrer Alexander Felchle
Erntedank 2022
Das Feld ist weiß; vor ihrem Schöpfer neigen / die Ähren sich, ihm Ehre zu bezeigen. /
Sie rufen: „Kommet, lasst die Sicheln klingen, / vergesst auch nicht, das Lob des Herrn zu singen!“
(Evangelisches Gesangbuch 513,1)
Wenn im Sommer die Ähren schwer und voll hängen, dann können Sie sehen, was in einem Lied besungen wird: Das Feld ist weiß, weil die reifen Ähren ihre Köpfe neigen. Es ist die Weisheit des Alters, es ist die Vergewisserung der Geschöpflichkeit, die sie dazu bringt. Junge Halme strecken sich gerade und aufrecht dem Himmel entgegen, die Wurzeln fest im Boden verankert. Sie wachsen voller Zuversicht und mit Kraft.
So wie wir Menschen dem Himmel entgegenwachsen mit Zuversicht und Kraft, versorgt mit allem, was wir zum Leben brauchen, mit unseren Wurzeln fest verankert im Glauben. Noch ist die Zeit des Wachsens und Gedeihens. Manchmal ist es auch eine Zeit der Dürre oder der Stürme, da drohen wir abzuknicken oder zu verdorren durch äußere Umstände oder eine Krankheit. Doch wenn die Wurzel fest im Boden verankert ist, richtet sich die Ähre wieder auf, bis sie reif ist. Zur Vollendung kommen auch wir, so wie die reifen Ähren. Sie senken ihren Kopf nicht, weil sie müssen. Sie senken den Kopf, um ihrem Schöpfer zu danken, der sie hat wachsen und reifen lassen. Es ist ein Zeichen der Dankbarkeit. So lasst auch uns dankbar einstimmen in das Lob dessen, der uns wachsen lässt, uns erhält und uns schließlich zur Vollendung führt.
Ihre Pfarrerin Dr. Nikola Schmutzler
August / September 2022
Tschüss, mach’s gut oder auf Wiedersehen! Im August ist Ferienhochsaison. In der Ferien- und Urlaubszeit gewinnt das Verabschieden eine andere Qualität als sonst. Der Abschied beim Urlaubsantritt von den Zurückbleibenden ist von besonderen Wünschen begleitet: „Erholt euch gut, kommt gesund wieder, bringt mir was Schönes mit.“
Ähnlich ist es beim Abschied von Urlaubsbekanntschaften gepaart mit dem Versprechen: „Wir bleiben in Kontakt.“ Gerade Kindern fällt der Abschied von Urlaubsfreunden schwer. Am Ende von Rüstzeiten liegen sich Jugendliche in den Armen und können sich kaum trennen; zu schön war die gemeinsam verbrachte Zeit. Wie lautet der angemessene Abschiedsgruß? Tschüss, mach’s gut oder auf Wiedersehen?
Wie verabschieden Sie sich im Alltag? Welche Grußformel ist Ihnen in Fleisch und Blut übergegangen? Welchen Unterschied machen Sie beim Verabschieden von Fremden und Freunden? Handschlag oder Küsschen oder doch lieber Abstand? Haben Sie ein Familienritual zur Verabschiedung?
Meine Omi Hanne pflegte eine Mischung aus Imperativ und Segen als Gruß zu verwenden: „Geh, in Gottes Namen!“ und das war nicht als Rauswurf, sondern wohlwollend wörtlich gemeint. Im Ohr ist mir besonders ihr Gute-Nacht-Gruß: „Schlaf, in Gottes Namen!“
Das war ihr wichtig, dem eigenen Wollen und Wünschen, das im großen Lauf der Welt so klein und ohnmächtig ist, etwas Starkes und Tragfähiges hinzuzufügen. So sprach sie stets einen Segen mit aus.
Ganz unbewusst führen viele von uns ein Segenswort im Mund, wenn sie sich verabschieden. Unser landläufiges „Tschüss“ ist die verschliffene Form des französischen „Adieu“ oder des spanischen „Adios“, was beides gleichbedeutend „mit Gott“ oder „Gott befohlen“ zu übersetzen ist. Das heißt, jedes Mal wenn Ihnen ein fröhliches oder auch schnoddriges „Tschüss“ zugeworfen wird, erklingt damit ein Segensgruß. Hören Sie einmal aufmerksam hin, wie oft hören Sie von anderen dieses Segenswort? Hören Sie aufmerksam hin und freuen Sie sich darüber.
Und jetzt sind Sie an der Reihe: Achten Sie von nun an darauf, wie Sie sich verabschieden und verteilen Sie Segen! Natürlich an die Menschen, die Sie ins Herz geschlossen haben, aber seien Sie auch freigebig gegenüber denen, die Ihnen das Leben schwer machen, und denen gegenüber, die Sie kaum kennen. Seien Sie freigebig, denn Sie teilen nur das, was Sie selbst empfangen „in Gottes Namen“.
Auch ich habe ein paar Wochen Urlaub und verabschiede mich für diese Zeit mit dem schönen irischen Segenslied: „Und bis wir uns wiedersehn, möge Gott seine schützende Hand über dir halten.“
Ihre Pfarrerin Dr. Nikola Schmutzler
Juni / Juli 2022
„Wie soll’s denn gehen?“
So fragen wir uns bezüglich des Krieges in der Ukraine, der nun schon über ein Vierteljahr andauert. Diese Frage stellt sich letztlich in jedem Konflikt, im Krieg kommt ihr jedoch besondere Dringlichkeit zu. Wie soll’s denn gehen? Was ist die Lösung? Wie kann dieser Krieg ein Ende finden? Eine Einigung scheint aktuell nicht in Sicht. Stattdessen werden Waffen geliefert, die Menschenleben retten sollen, indem sie Menschenleben vernichten. Eine Rechnung, die nicht aufgehen kann, aber die zu bezahlen die Welt bereit ist, ohne sie begleichen zu können. Aber wie soll’s denn gehen?
„Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen“, spricht der Herr Zebaoth. (Sacharja 4,6b)
Gott setzt dem Gewaltdenken seinen Geist entgegen. Ja mehr noch: Die Gegenüberstellung macht deutlich, dass kriegerische Heere und menschliches Kräftemessen nichts Geistreiches hervorbringen. Der Geist göttlicher Lebenskraft weht woanders. Während Elia Gott gerade nicht im Donnergrollen, sondern im leisen Säuseln des Windes erkannt hat, erlebten Soldaten, die im Ersten Weltkrieg vollmundig „Gott mit uns“ auf ihrem Koppelschloss trugen, die größte Gottesferne. Mit Gott in den Krieg zu ziehen, hat sich seit jeher als Irrtum erwiesen, eben weil Gottes Geist Leben und nicht Sterben hervorbringt. Heere sind beseelt vom Geist der Vernichtung. Aber Gott ist nicht mit den Gewalttätern. Gott ist vielmehr mit denen, die sich von seinem Geist des Lebens bestimmen lassen, anstelle mit Heereskraft dem Geist der Vernichtung zu frönen. Gott ist mit den Opfern, die nach Leben suchen und auf Leben hoffen. Wie aber soll’s gehen?
Inmitten des aktuellen moralischen Dilemmas ist zu hoffen, dass es in unserer Welt ein weiteres Mal Pfingsten wird, dass Gottes Geist die Menschen auf beiden Seiten der Front erfüllt und wir den leisen Verhandlungen mehr zutrauen als dem lauten Dröhnen von Raketen. Das Pfingstfest ermutigt uns zu diesem Umdenken, denn es ist ein Fest, das auf Verständigung setzt. Die Erinnerung an das erste Pfingstfest (nachzulesen in Apostelgeschichte 2) zeigt uns, dass Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen, im Gotteslob zusammenfinden können und Verstehen möglich ist. Statt mit Heer und Kraft den Krieg zu verlängern, ruft uns der Wochenspruch des Pfingstfestes dazu auf, geistreich in Gottes Namen Frieden zu stiften. Denn „es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen“, spricht der Herr Zebaoth. Darum „Komm, Heil’ger Geist, mit deiner (!) Kraft, die uns verbindet und Frieden schafft!“ – Ja, so soll es und so kann es gehen.
Ihre Pfarrerin Dr. Mandy Rabe
April / Mai 2022
Ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht. (3. Johannes 2)
Liebe Schwestern und Brüder,
obwohl dies ein wunderbar aufbauendes Bibelwort ist und ich mich selbst als eher optimistischen Menschen bezeichnen würde, muss ich doch mit einer düsteren Feststellung beginnen: Spätestens seit dem 24. Februar wissen wir, dass auch das Jahr 2022 wohl wieder ein Krisenjahr sein wird. Zum Dauerthema Klimakrise und der Coronakrise seit über 2 Jahren kommt nun auch noch ein Krieg in Europa. Und wieder hält die Welt den Atem an.
Natürlich kann man sich persönlich darauf zurückziehen, dass doch alles nicht so schlimm sei: Wenn es in der Welt wärmer wird, gut, dann brauchen wir im Winter weniger zu heizen… Ist das Virus unterwegs, mache ich einfach die Tür hinter mir zu… Und die Ukraine ist weit weg, ein oder zwei Länder sind immer noch dazwischen… Tatsächlich habe ich solche Bemerkungen in letzter Zeit immer wieder gehört. Und das macht sprachlos.
Vielleicht liegt der Knackpunkt darin, dass man gern bei den oben stehenden biblischen Wünschen (Wohlergehen und Gesundheit, Frieden für die Seele) zuerst an sich selber denkt. Jeder von uns kennt wohl Leute, die fragen: „Wie geht es dir?“, um dann sofort von ihren eigenen Sorgen und Nöten zu erzählen. Ja – Wohlergehen und Gesundheit sind wirklich hohe Güter, erst recht das Wohlergehen der Seele. Letzteres wird allerdings gern vernachlässigt oder vergessen. Alles tun für die Gesundheit – aber nichts tun für die Seele.
Das Bibelwort lenkt unseren Blick auf den Anderen und damit weg von mir selbst. „Ich wünsche dir…“ Und das ist wohl der wichtigste Hinweis für alle Krisenzeiten. Bemühe dich – jeden Tag neu – von dir selbst wegzudenken auf den Anderen hin. Kreise nicht ständig um deine eigenen Probleme, denn das baut eine Mauer um dich auf. Richte deinen Blick nach außen. Natürlich ist das schwer, weil du so manches Leid Anderer wahrnimmst. Aber vielleicht lernst du so auch, das eigene Leid anders zu betrachten.
Was aber noch besser ist: Schau auf das Wohlergehen Anderer, freue dich über ihre Gesundheit, wünsche ihnen von Herzen Frieden und Wohlergehen für die Seele. Bete für sie! Und du wirst spüren: das schenkt auch deiner Seele Kraft. Das trägt auch zu deinem Wohlergehen bei, das fördert auch deine Gesundheit. Und es bringt dich – mit Gottes Hilfe – weg vom Kreisen um dich selbst und baut die Mauer um dich herum ab.
Trotz aller Krisen dürfen wir als Christen immer optimistisch bleiben, denn wir haben einen Herrn, der uns durch alle schweren Zeiten führt.
Mit allen guten Wünschen für einen fröhlichen Optimismus – gerade jetzt im Frühjahr –
Ihr Pfarrer Jörg-Martin Spitzner
Februar / März 2022
Herzlich Willkommen im neuen Jahr!
Die Tür hat sich geöffnet. Ein neuer Raum liegt vor uns: 2022. Wie hat sich der Schritt über die Schwelle bei Ihnen angefühlt? Sind Sie voller Elan und Vorfreude eingetreten, um den neuen Raum zu gestalten? Oder waren und sind Sie eher zögerlich? Fühlt sich der Raum gar abweisend und kalt an? Alles abgesagt, Kontaktverbot, draußen bleiben.
Das Jahr 2022 beginnt ambivalent. Wir wissen nicht, was uns erwartet, und leider auch nicht, was wir erwarten können. Das erschwert auch unsere Planungen in den Kirchgemeinden. Und doch gibt es für uns als Christen einen wesentlichen Unterschied, der Hoffnung macht:
Unser Jahr hat schon begonnen! Es ist nicht die Ungewissheit eines Kalenderjahres, die uns empfängt, sondern die Hoffnung des Advent, die uns die Tür öffnet. Bereits am 1. Advent beginnt das neue Kirchenjahr. Mit der verheißenen Ankunft des Retters startet die Kirche ins neue Jahr. Dadurch steht es gleich unter einem anderen Vorzeichen. Mit der Hoffnung des Advent ist unser neues Jahr hoffnungsvoll ausgerichtet auf Jesus Christus, dessen Ankunft wir Weihnachten feiern und mit dem wir ins neue Kalenderjahr gehen. Jesus Christus gibt dem neuen Jahr das Gepräge. Es ist ein Jahr des Herrn. Früher schrieb man häufig „AD“ vor die Jahreszahl als Abkürzung für Anno Domini. Es ist ein Kürzel, das daran erinnert: Wir befinden uns im Jahr des Herrn. Egal wie sehr uns das neue Jahr herausfordern wird: Es ist ein Jahr des Herrn. Er ist da und steht uns zur Seite. Lassen wir zu, dass Jesus Christus dieses Jahr 2022 prägt! Er selber heißt uns willkommen:
Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. (Johannes 6,37)
Jesus hat die Menschen nicht abgewiesen, die zu ihm kamen, so aussichtslos die Lage auch schien. Er hat ihnen geholfen mit den Möglichkeiten, die zur Verfügung standen, und mit Gottvertrauen. Dadurch verbreitete er Hoffnung und ermöglichte den Menschen eine neue Perspektive und neues Leben.
Dieser Zuspruch Jesu, der uns als Jahreslosung durch das Jahr 2022 begleitet, gilt noch immer. Er gilt uns, denen in der Nähe und denen in der Ferne. Darum wird er für uns Christen zugleich zum Anspruch: Auch wir wollen entgegenkommend sein und einander annehmen – unabhängig vom Impfstatus. Auch wir wollen einladend sein und andere willkommen heißen, auch die, die aus fernen Ländern zu uns flüchten.
Menschen, die zueinander finden, sind Menschen, die noch Hoffnung haben. Und Hoffnung auf Leben ist eine gute Grundlage, um gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft zu meistern – mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und mit Gottvertrauen.
Alles Gute und Gottes Segen für das Jahr des Herrn 2022 wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin Dr. Mandy Rabe
Dezember 2021 / Januar 2022
Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR. (Sacharja 2,14)
Wie viele Advents – und Weihnachtslieder kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie den Monatsspruch für Dezember lesen? „O du fröhliche“ und „Tochter Zion, freue dich“ wohl auf jeden Fall. Ob es aber wirklich ungetrübte Freude sein wird, mit der wir diese Zeit erleben, ist jetzt (Anfang November) schon wieder sehr unsicher geworden. Alle Einschränkungen, die wir im vergangenen Jahr auf uns genommen haben, konnten wir doch auch in der Hoffnung hinnehmen, dass dies nur einmal nötig ist, um die schlimmsten Auswirkungen der Corona-Pandemie zu begrenzen. Und jetzt….? Geht das alles wieder von vorn los? Noch ist das ungewiss.
Doch was bedeutet dann die Aufforderung des Propheten? Wie wird sich seine Verheißung erfüllen? Oder hat sie sich schon erfüllt? Das prophetische Buch Sacharja gehört zu den jüngsten Schriften im Alten Testament. Für die nach Babylon weggeführten Israeliten steht der Rückweg in die Heimat offen. Jerusalem soll wieder aufgebaut werden. Doch dieser Neuanfang war mühsam und voller Konflikte. Davon berichten die Bücher Esra und Nehemia. Aber dann müssen sie doch endlich kommen: die glorreichen Zeiten, in denen Freude und Fröhlichkeit das Lebensgefühl bestimmen. Oder doch nicht? Schon bald war eine neue Großmacht auf dem Vormarsch. Alexander der Große brachte den Hellenismus weit nach Osten voran. Sogar im Jerusalemer Tempel wurden die griechischen Götterstatuen aufgestellt. Für ein paar Jahrzehnte sorgen Judas Makkabäus und seine Söhne dafür, dass dieser Götzendienst wieder verschwindet. Doch dann kommen die Römer, um mit ihrer Fremdherrschaft lange zu bleiben – wie ein lästiges Virus. So hatten sich das die Rückkehrer aus Babylon bestimmt nicht vorgestellt. Es sollte doch der Herr kommen! Der Messias würde die Feinde in die Flucht schlagen, Freiheit und ein sicheres, gerechtes Leben garantieren. Darauf hatte man gewartet.
Und dann kommt er zur Welt: in einem Notquartier, durch Verordnung eines sich allmächtig gebärdenden Kaisers wurde die werdende Mutter und ihr Verlobter durch das ganze Land gehetzt; Herodes, der König von Roms Gnaden trachtet ihm sofort nach dem Leben. So ist die Welt, in die der Herr kommt. Von allen Dichtern, die das Wunder von Advent und Weihnachten versucht haben in Worte zu kleiden, hat Paul Gerhardt den Kontrast wohl am deutlichsten im Blick: Es ist die „Welt in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast“, die der Herr nun mit seiner großen Liebe umfängt (EG 11,5). Wieder wissen wir nicht, unter welchen Umständen wir dieses Wunder feiern werden, aber es kann uns keiner nehmen, denn Gott hat es geschehen lassen.
Eine gesegnete Advents – und Weihnachtszeit wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Johannes Kaufmann
Oktober / November 2021
Gott, der Christus vom Tod auferweckt hat, wird auch eurem sterblichen Leib das Leben schenken durch seinen Geist, der in euch wohnt. (Römer 8,11)
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, ich hoffe noch auf ein paar warme Tage, vielleicht bekommen wir einen goldenen Oktober. Doch unverkennbar steht uns vor Augen: Es ist Herbst. Die Blätter verfärben sich und bald werden sie fallen.
„Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten“, so beschreibt Rainer Maria Rilke in seinem Herbstgedicht das Welken und Vergehen, das uns in den Monaten Oktober und November so deutlich vor Augen tritt. Es ist der Kreislauf von Wachsen und Vergehen, der alle Jahre wiederkehrt. Und wir werden erinnert an unsere eigene Sterblichkeit, unser eigenes Vergehen, wenn wir die Blätter fallen sehen: „Wir alle fallen, diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an, es ist in allen.“ Und doch ist dieses Gefühl eine trügerische Wahrnehmung. Denn wir gehören nicht in einen Kreislauf: Ja, wir werden geboren und wachsen und altern und vergehen in dieser Welt. Aber wir haben ein Woher – wir kommen von Gott; und wir haben ein Wohin – wir gehen zu Gott. Der Mensch ist kein Teil des Kreislaufs der Natur, auch wenn sich unser Körper nach dem Tod zersetzt.
Weil wir kein Teil des Kreislaufs sind, deswegen sind Ideen, nach dem Tod Nahrung für einen Rosenstock zu sein oder Dünger für einen Baum, der in der eigenen Asche wurzelt, oder mit Blumensamen verstreut zu werden, nur Krücken zur Bewältigung von Verlust und Trauer für diejenigen, die keine Hoffnung haben. Aber wir haben Hoffnung! Unsere Hoffnung steht fest in Jesus Christus. Dieser Hoffnung verleiht der Apostel Paulus Gestalt, wenn er schreibt: Gott, der Christus vom Tod auferweckt hat, wird auch eurem sterblichen Leib das Leben schenken durch seinen Geist, der in euch wohnt (Röm 8,11).
Mit dieser Hoffnung versehen wird der Herbst zum fröhlichen Mahner, die geschenkte Lebens-Zeit gut zu nutzen. Mit dieser Hoffnung versehen wird sogar ein Spaziergang über den Friedhof zum Mutmacher und der Friedhof selbst zum predigenden Ort der Auferstehungshoffnung. Statt von einem vermeintlichen Weiterleben in Bäumen oder auf einer Wiese erzählen die Kapelle und die Kreuze auf dem Friedhof von dem echten, neuen Leben, das Gott für uns bereithält. „Und doch ist EINER, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“
Ich freue mich darauf, Ihnen auf dem Friedhof zu begegnen. Dann können wir einander von unserer Hoffnung erzählen.
Ihre Pfarrerin Dr. Nikola Schmutzler
August / September 2021
Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel. (Haggai 1,6)
Freuen Sie sich auch schon auf den Urlaub? Oder sind Sie bereits gut erholt zurückgekehrt? Ich selber schreibe diese Zeilen noch voller Vorfreude auf die bevorstehende freie Zeit. Es soll eine Zeit der Erholung sein, eine Zeit der Muße, um wieder neue Kraft zu tanken.
Solche Zeiten sind wichtig! So wichtig, dass es mit dem Jahresurlaub nicht getan ist! Die jüdisch-christliche Tradition weiß deshalb um den wöchentlichen Ruhetag: Du sollst den Feiertag heiligen. Ein Tag pro Woche, der sich abhebt vom Alltag. Ein Tag zum Krafttanken und zur Neuausrichtung des Lebens. Ein Tag pro Woche Regeneration, um Mensch zu sein und zu bleiben. Seit 1700 Jahren ist der Sonntag in Europa staatlich anerkannter und arbeitsfreier Ruhetag zur seelischen Erhebung. Kaiser Konstantin führte ihn im Jahr 321 ein, um den Gottesdienstbesuch am Tag des Herrn zu ermöglichen.
In der jüngeren Vergangenheit steht dieser Ruhetag jedoch immer häufiger zur Disposition. Da ist von Sonntagsöffnungszeiten, verkaufsoffenen Sonntagen und der rollenden 7-Tage-Woche die Rede. Um den Menschen als Geschöpf Gottes geht es dabei nicht mehr, stattdessen wird der Mensch zum Erfüllungsgehilfen des Mammon (= Geld) als Wirtschaftsgötzen.
Sinnvoll ist es freilich nicht, einen Götzen an Gottes Stelle zu setzen und die eigene Geschöpflichkeit zu verleugnen: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein“ – das hat schon als DDR-Doktrin nicht funktioniert. Auch im 21. Jahrhundert ist dieser Ansatz zum Scheitern verurteilt, denn die Ernte, die wir ohne Gott und Sonnenschein einbringen, taugt nicht zum Leben: „Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel.“
Diese Worte schrieb der Prophet Haggai bereits vor 2540 Jahren den Israeliten ins Stammbuch. Es ist die gleiche Erfahrung, die auch moderne Menschen machen: Sie geben in ihrem Leben Vollgas, gönnen sich aber keine Ruhe und besinnen sich nicht auf Gott als den Schöpfer ihres Lebens. Sie geben Vollgas, aber es ist, als blockiere jemand die Kupplung: Trotz aller Leistung kommen sie nicht voran, sind sie nicht zufrieden und jagen dem Glück doch immer nur hinterher, ohne es je zu empfinden. Die Crux: Eine Generation, die selbst mit Burnout und Depressionen zu kämpfen hat, will ihre Kinder noch mehr fördern und fordern, damit sie erfolgreich werden: Training, Nachhilfe, Notendruck, aber keine Zeit für Gott.
Lernen wir denn gar nichts aus unserem Leben? Können wir die Zeichen nicht deuten? „Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel.“
Nutzen Sie den Sommer, um sich bewusst zu erholen, und entdecken Sie den Sonntag neu für sich, denn es ist der Tag, der uns unsere Geschöpflichkeit vor Augen stellt – zur Ehre Gottes, des Schöpfers.
Ihre Pfarrerin Dr. Mandy Rabe
Juni / Juli 2021
Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben und weben und sind wir. (Apostelgeschichte 17,27)
Kennen Sie Gott? Also nicht nur dem Namen nach oder vom Hörensagen? Kennen Sie Gott gut? So, dass Sie mit ihm reden? So, dass Sie an ihn denken – willkürlich und unwillkürlich? – mit festen Zeiten oder spontan? – weil Sie seine Hilfe brauchen oder er Sie überrascht hat?
Kennen Sie Gott? Paulus stellte diese Frage Menschen in Athen. Durch den Monatsspruch im Juli stellt er diese Frage
heute Ihnen. Die Menschen in Athen waren vielfältig interessiert und wussten ihr Leben in der Hand von Gott und Göttern. Sie haben an sie gedacht und ihnen Opfer gebracht, um sie gnädig zu stimmen, damit die Familie gesund blieb, damit ein Handelsgeschäft Gewinn brachte, damit die Ernte üppig ausfiel.
Aber eine echte Beziehung, eine Vertrauensbasis hatten sie zu diesen Göttern nicht, es war eher ein Geschäftsmodell. So wie wir heute für unsere Sicherheit Steuern bezahlen, Krankenkassenbeiträge für die Gesundheit und Handwerker für haushaltsnahe Dienstleistungen. Wie wir Netzwerke spinnen, um Vorteile daraus zu ziehen. Do ut des ‐ ich gebe dir, damit du mir gibst!
Paulus sagt: Wenn Sie Ihre Beziehung zu Gott so leben, kennen Sie Gott nicht. Denn Gott ist ein naher Gott, der Sie kennt, der sich für Ihr Leben interessiert und Tipps und Hilfe für Sie bereithält, weil er Sie liebt. Nicht weil Sie ihm irgendwas geben könnten. Paulus nennt das in Gott leben und weben und sein.
Leben – mit all seinen Facetten, mit dem Feiern und dem Trauern, Neues ausprobieren und im Gewohnten Trott gehen.
Weben – arbeiten, für Geld, für die Familie, um den Tag rumzukriegen, an einer Beziehung.
Sein – mit allem, was ich bin, was mich liebenswert macht und auch das Andere, mit meinen Talenten und meinen Fehlstellen.
Denn Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben und weben und sind wir.
Lernen Sie Gott kennen in Ihrem Leben. Entdecken Sie ihn im Alltäglichen und im Besonderen. Pflegen Sie Ihre Beziehung zu ihm, denn Gott ist Ihnen nahe. Kommen Sie Gott nahe!
Ihre Pfarrerin Dr. Nikola Schmutzler